PRESSE-INFORMATION / KILL YOUR BABIES (2012)

 
Als mir im verschneiten Berliner Winter Stück für Stück die Idee kam, eine Filmmusik zu machen für einen Film, den es nicht gibt, lernte ich nachts im Rausch zufällig Maxim Biller kennen. Er fand, dass ich zu laut war und beim Sprechen zu nah an sein Gesicht herankam, trotzdem wollte er unbedingt das Album hören. Er mochte die erste Rohfassung. Als ich ihm aber erzählte, was ich noch alles ändern würde – neue Aufnahmen, andere Arrangements, mehr dies, weniger das – sagte er: »Nein, spar dir das alles, kill your babies! Das Ding ist fertig, so wie es ist. Und ich schreibe dir die Liner Notes.«
 
Er meinte den berühmten Leitsatz »Murder Your Darlings!« von Arthur Quiller-Couch, und auch ich merkte nach einer Weile, dass es Zeit war, mich aus meiner Platte rauszuhalten – alle meine Vorstellungen, wie es damit weitergehen sollte, wurden verworfen. Es blieben dreizehn Stücke Filmmusik: leise, roh, herzzerrissen verliebt und so einfach wie ein Kinderlied. Fast klassisch, Klavier, Cello, Akkordeon, Gitarre – komponiert und aufgenommen in Berlin, Paris, Toronto und Los Angeles.
 
2005 veröffentlichte ich mit meiner Band »Jansen & Kowalski« bei Universal ein Debüt-Album, das mir schon kurze Zeit danach überhaupt keine Freude mehr bereitete. 2009 hatte ich mit meiner ersten Solo-Platte »Neue Deutsche Reiselieder« eine tolle Zeit, und bis auf ein paar wenige Lieder kann ich selbst heute noch mit dem Kraut-Prog-Rock von damals leben. Klaus Lemke, für den ich 2008 angefangen hatte, meine ersten Filmmusiken zu schreiben, machte mir einen Clip für die Single »Andere Leute«: Video des Monats in der Spex, nominiert fürs beste Musikvideo bei den Kurzfilmtagen Oberhausen. Deichkind produzierten einen Remix, und ich ging mit 2raumwohnung auf Tournee. Wild und schmutzig.
 
Aber ich bin nicht Rock’n’Roll. Ich atme Brahms und Skrjabin. Rubinstein ist mein Hendrix, Tschaikowskys Jahreszeiten sind meine Abbey Road. Naja – und ein bisschen Françoise Hardy, Georges Delerue und Bill Evans.
 
Seit der Arbeit mit Lemke hat meine Musik ein neues Zuhause: im Film. Kinskis Pfeifen als Woyzeck, Michel Piccolis Klavier in »La Grande Bouffe«, Belmondo und Anna Karina auf dem Feld in »Pierrot le fou« – verblüffend. 2011 stellte ich mit Lemke in Hof und auf der Viennale unseren dritten gemeinsamen Film vor: »Drei Kreuze für einen Bestseller«. Im April 12 brachten wir »Berlin für Helden« ins Kino.
 
Als ich letztes Jahr an einem Herbstabend gute Laune hatte, weil mein Soundtrack zu dem nicht existierenden Film fast fertig war, schleppte Maxim mich mit zu Daniel Richter. Wir dachten, wir würden auf seiner Vernissage ein paar hübsche Mädchen sehen. Daniel konnte meinen Namen nicht leiden, aber der Wein schmeckte gut. Ein paar Tage später spielte ich ihm in seinem Atelier das neue Album vor, ich wollte ihn um ein Zitat bitten. Er sagte, er würde »Kill Your Babies« gerne veröffentlichen. Wir setzten einen schwarzen Tee auf, er fragte, ob ich Lust hätte auf eine Zeichnung von ihm fürs Cover, und ich machte mir nichts mehr daraus, dass Maxim und ich die Vernissage allein verlassen hatten.
 
Es geht nicht immer bloß um Frauen. Hier laufen gerade Bachs Inventionen und Sinfonien von Glenn Gould. Ich weiß nie, was ich danach auflegen soll. MK